Kindersicht in Uganda
Im Mai 2024 erfüllten wir uns einen langersehnten Traum: 3 Monate Reisen durch Afrika. Dabei statteten wir dem Entwicklungsdienst deutscher Augenoptiker e.V. einen Besuch ab und durften das Projekt aktiv unterstützen.
Vor fünf Jahren sind wir das erste Mal gemeinsam auf Reisen gegangen. Zu dem Zeitpunkt geschah das eher zufällig und aus einer spontanen Laune heraus. Gerade den Meisterschul-Abschluss in der Tasche, standen wir an so ziemlich denselben Punkten im Leben – und ein gemeinsamer Trip erschien uns nach der spaßigeren Aussicht, als dass jede allein von dannen zieht.
Über diese Fügung könnten wir heute nicht glücklicher sein, denn sie bescherte uns eine großartige Freundschaft und viele weitere unvergessliche Reiseerlebnisse.
Heute kann von Zufall keine Rede mehr sein – mindestens einmal im Jahr schnallen wir uns unsere Backpacks auf den Rücken und ziehen gemeinsam los.
Zwei bis drei Wochen in eine andere Welt einzutauchen ist schön. Wir haben die Möglichkeit andere Kulturen kennenzulernen, uns durch die Spezialitäten der Küchen anderer Länder zu probieren, dortige Flora und Fauna zu entdecken und vieles mehr. Aber wie fühlt es sich wohl an, in einem fremden Land “anzukommen”? Näher an den Menschen “dran zu sein”? Sie in ihrem Alltag zu begleiten, Freundschaften zu knüpfen? All die Dinge, die in der normalen kurzen Urlaubszeit oft schwierig sind. Genau diese Dinge wollten wir erleben! Und wenn nicht jetzt, wann dann?
Allein oder zu zweit, auch wenn zu zweit natürlich die Wunschvorstellung war. Unser Wunsch wurde erhört und wir haben es tatsächlich geschafft, für den gleichen Zeitraum eine freie Zeit von drei Monaten mit unseren Arbeitgebern zu vereinbaren.
In unserem Pool an Ländern, die wir einmal bereisen möchten, hat sich in den letzten Jahren allerhand angesammelt. Ein Kontinent stach für Maike allerdings besonders heraus: Afrika! Die Faszination für Afrikas Vielfalt und Schönheit live und in Farbe zu erleben war schon lange ihr großer Traum. Jessy mit dieser Euphorie anzustecken nur noch ein Kinderspiel. Im Kopf hatten wir dann ziemlich schnell den ersten Entwurf unserer Reiseroute skizziert und starteten in die Vorbereitungen.
Dankbar für unsere anstehende Reisezeit überlegten wir, wie wir auch etwas zurückgeben könnten. Uns ist natürlich bewusst, dass die Möglichkeit, die wir ergreifen konnten, nicht selbstverständlich ist. Uns war es daher ein Anliegen, zusätzlich einen Beitrag zu leisten, zu helfen und zu unterstützen. Und was bietet sich da besser an, als Hilfe in einem Bereich zu leisten, der uns selber am Herzen liegt, mit der Arbeit, die uns tagtäglich erfüllt? Bei unserer Recherche stießen wir auf den Entwicklungsdienst deutscher Augenoptiker e.V. (kurz: EdA) und waren begeistert von diesem unermüdlichen Engagement, für die Menschen vor Ort, mit einem Team aus deutschen AugenoptikerInnen, eine Zukunft zu entwickeln und so die Lebensqualität vieler Menschen zu verbessern.
Je näher der Abflug rückte, desto größer wurde unsere Aufregung. Fragen über Fragen schwirrten in unseren Köpfen herum: Was würde uns erwarten? Wie würden die Menschen vor Ort auf uns reagieren? Sind wir dem Ganzen überhaupt gewachsen? Wir zwei Mädels ganz allein in Afrika? Und vor allem: Würden wir mit unserer Mitarbeit wirklich einen Unterschied machen können?
Wochen zuvor hatten wir uns fleißig vorbereitet: Impfungen aufgefrischt, Visa beantragt, unsere Reiseroute geplant und uns mit den wichtigsten Informationen über die jeweiligen Länder auf unserer Route belesen. Aber sich mental auf die neue Kultur einstellen? Das hatten wir uns zwar vorgenommen, doch dieser Part blieb komplett auf der Strecke. Kurz vor Reisebeginn überschlug sich alles: Jessy reiste noch auf einen Kongress in die Niederlande, unsere Arbeit im Geschäft forderte uns bis zur letzten Minute, und dann sollte auch noch der Launch von „Kindersicht“ unbedingt vor der Abreise stattfinden.
Die Nerven lagen blank – so gestresst waren wir wohl noch nie. Doch all die mitternächtlichen virtuellen Meetings haben sich ausgezahlt: Zwei Tage vor Abflug konnten wir unser gemeinsames Projekt stolz der Optik-Welt präsentieren. Noch drei Monate länger hätten wir dieses Geheimnis wirklich nicht für uns behalten können!
Und dann war es endlich soweit: Wir saßen im Flieger. Zwischenstopp Zürich, nächster Halt Kapstadt. Unser Abenteuer beginnt – wovon wir so lange geträumt haben, wird wirklich wahr!
Unsere Einstellung wie immer: Lassen wir es mal auf uns zukommen!
Als wir aus dem Flugzeug stiegen, schlug uns die Hitze förmlich entgegen – und plötzlich fühlte sich alles wie eine völlig andere Welt an. Überall bunte Farben, lautes Lachen, fremde Geräusche und Gerüche lagen in der Luft – Afrika begrüßte uns mit offenen Armen.
Die ersten Stopps auf unserer Reise raubten uns bereits den Atem. Nachdem wir in Kapstadt, Mauritius, Kenia und Sansibar unsere fast leeren Batterien wieder aufgeladen hatten, ging es nochmal in die Lüfte mit dem Flugziel Uganda.
Nach ein paar entspannten Tagen in der kleinen Stadt Entebbe stand die nächste Etappe an: Die lebendige Stadt Masaka, ca. 120 Kilometer von der Hauptstadt Kampala entfernt. Die Fahrt dorthin war abenteuerlich – mehrfach dachten wir, dass wir niemals ankommen würden. Doch schließlich erreichten wir unser Ziel und trafen uns in einem wunderschönen Café mit Blick über die Stadt mit Martina Sappelt, der Ausbilderin der Augenoptik-Schulklasse des EdA. Mit dabei waren auch Arthur, ein weiterer Volunteer, und Aloysius, einer der Schüler.
Unser Kennenlernen begann mit vorzüglichem Kaffee, köstlichen Apfel-Pancakes, viel Lachen und spannenden Geschichten über das Entwicklungsprojekt. An dieser Stelle: Ein herzliches Dankeschön an Martina für den warmen Empfang. Wir fühlten uns sofort willkommen und konnten es kaum erwarten, loszulegen.
Nachdem Aloysius auf dem Markt noch schnell letzte Besorgungen für das morgige Mittagessen zu erledigen hatte und schließlich schwer bepackt zurückkehrte – er ließ sich mächtig Zeit, denn in Afrika ist “pole pole” (langsam, langsam) angesagt – quetschten wir uns alle in Martinas Auto. Fünf Personen, zwei riesige Backpacks und noch ein paar Säcke Bohnen – eine ganz schöne Herausforderung für Martinas gute alte silberne Limousine. Vor allem, weil die Straßen in Uganda etwas anders beschaffen sind als die gut asphaltierten Straßen in Deutschland.
Nach etwa einer Stunde „African Massage“, wie man die holprigen Fahrten auf den unebenen Pisten hier gerne nennt, kamen wir endlich in unserem neuen Zuhause für die nächsten zwei Wochen an: dem kleinen Dorf Kyamulibwa. Hier befindet sich das „Optician Centre“, wo die Schüler sowohl die praktischen als auch theoretischen Kenntnisse der Augenoptik erlernen.
Für uns Volunteers stand ein eigenes kleines Gästehäuschen auf dem Gelände des Optician Centres bereit, auf dessen Grundstück auch Martina wohnt. Unseren ersten Abend verbrachten wir gemütlich auf ihrer Veranda, umgeben von ihrer treuen Hundefamilie, und lauschten gespannt den Geschichten über das Leben in Uganda und die Arbeit am Projekt.
An unserem ersten Tag bei der EdA durften wir Martina bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen und unsere Schulklasse kennenlernen – 12 hochmotivierte junge Menschen voller Tatendrang. Auf dem Tagesprogramm stand heute das manuelle Einschleifen von Brillengläsern in Nylorfassungen.
Schon in den ersten Gesprächen wurde uns klar: Hier gibt es nicht nur viel von uns zu geben, sondern auch unglaublich viel für uns zu lernen.
Die Herzlichkeit und Offenheit der SchülerInnen, ihre Motivation und ihr handwerkliches Talent haben uns sofort beeindruckt. Da war Isaac, eigentlich Mathematiklehrer, der das Optician Centre ursprünglich nur für einen Sehtest mit seinen Schülern besuchte, dann aber beschloss, selbst nebenher die Ausbildung zu machen. Jetzt verbringt er seine freien Tage und Wochenenden in der Werkstatt, um zu üben. Und Malaika, die als Köchin für die Volunteers arbeitet, um sich die Ausbildung zu finanzieren. Dann ist da noch Gerald, der jedes Werkstück mit Bravour meistert und dabei immer von einem Ohr zum anderen strahlt. Womit hier nur einige wenige genannt sind.
Es war faszinierend zu sehen, wie jeder einzelne mit vollem Engagement bei der Sache war – alle brachten eine ganz eigene Geschichte und Fähigkeiten mit und gemeinsam formten sie eine inspirierende Gemeinschaft, die sich gegenseitig unterstützte und motivierte. Eine so beeindruckende Einheit, wie wir sie nur selten zuvor jemals erleben durften.
Was für ein großartiger Start in unsere Arbeit der kommenden Wochen!
Die Ausbildung in Kyamulibwa unterscheidet sich nicht wesentlich von dem, was wir aus Deutschland kennen – jedoch sind Materialien oft knapp, und die Bedingungen stellen manchmal eine Herausforderung dar. Trotzdem herrscht unter den Auszubildenden eine unglaubliche Motivation und Entschlossenheit.
Die Ausbildung zum Ophthalmic Optician (Augenoptiker) dauert zwei Jahre. Unter der Leitung von Martina Sappelt lernen die Schüler nach den gleichen Standards wie in Deutschland die theoretischen und praktischen Kenntnisse, die sie für die Augenoptik-Gesellenprüfung benötigen. Das Optician Centre ist gut ausgestattet: Es gibt Handschleifsteine, Rillgeräte, einen Schleifautomaten, Formscheiben, Feilen und Bohrmaschinen. Also gar nicht so anders als bei uns – auch wenn hier und da manchmal kreative Lösungen gefragt sind, wenn es doch an Materialien mangelt.
Im Optician Centre gibt es außerdem einen Refraktionsraum, in dem die Schüler gegenseitig das Refraktionieren üben. Unter Martinas Aufsicht vermessen sie auch Menschen mit Sehproblemen aus dem Dorf und der Umgebung. Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt der Ausbildung ist die anatomisch korrekte Brillenanpassung – und glücklicherweise mangelt es dank zahlreicher Spenden hierfür nicht an Übungsfassungen.
Nach erfolgreichem Abschluss der zweijährigen Ausbildung erhalten die SchülerInnen das „Zertifikat II“.
Für das „Diploma“, das zwei weitere Jahre umfasst, absolvieren sie ein weiteres Jahr intensives Optiktraining sowie ein weiteres Jahr, das sich in drei Monate Businesskurs, drei Monate Pädagogikkurs und sechs Monate Praktikum gliedert.
Das Ziel des Projektes: Die flächendeckende augenoptische Versorgung soll bezahlbar und für immer mehr Menschen zugänglich sein. Denn das ist nicht überall der Fall und besonders in abgelegenen Dörfern ist eine Brille einfach zu teuer oder der Weg zum Optiker/Optometristen zu weit.
Unseren zweiten Tag starteten wir mit einer Theoriestunde zum Thema „Polarisationsgläser, Blueblocker und Kantenfilter“ – unser erster gemeinsamer Auftritt als Kindersicht-Team! Der Beginn war aufregend und wir waren gespannt, wie unser Wissen ankommen würde.
Für den Rest der Zeit hieß es dann „Back to the roots“, besonders für Jessy, die inzwischen seltener in der praktischen Brillenfertigung arbeitet. Wir übernahmen das Projekt „Bohrbrille anfertigen“. Mit den Schülern übten wir das exakte Anfertigen einer Formscheibe, das präzise Handschleifen nach Zentriermaßen, sowie das Bohren, Ausrichten und die anatomische Anpassung der randlosen Brillen. Dabei waren wir beeindruckt, wie schnell die SchülerInnen lernten: Oft reichte eine kurze Anleitung und sie führten die Arbeitsschritte fast intuitiv perfekt aus. Einige der ersten Bohrbrillen ließen uns förmlich staunen – so viel handwerkliches Talent!
Nun kamen die Perfektionistinnen in uns durch und wir schlossen den Kurs mit einer Prüfung: dem Anfertigen einer zentriergenauen Bohrbrille, die den Anforderungen der deutschen Gesellenprüfung entsprach.
Die Begeisterung der Schüler war ansteckend – viele waren auch nachmittags kaum von ihren Werkbänken wegzubewegen. Stolz hielt jeder zum Abschluss eine eigens angefertigte Bohrbrille in der Hand.
Am Ende unserer zwei Wochen hatten wir das tiefe Gefühl, nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch echte Fortschritte miterlebt zu haben.
















Unsere Mitarbeit beim EdA hat uns auf vielen Ebenen verändert – beruflich, aber auch persönlich. Wir haben gelernt, mit begrenzten Ressourcen effizient zu arbeiten und dennoch eine große Wirkung zu erzielen. Vor allem aber wurde uns klar, dass Hilfe keine Einbahnstraße ist. Wir haben mindestens genauso viel von den SchülerInnen und von Martina gelernt, wie sie von uns – vielleicht sogar mehr. Eine der wichtigsten Erkenntnisse war, dass Perspektiven ein enormer Antrieb sein können und dass Gemeinschaft und Zusammenhalt unbezahlbare Werte sind, die das Leben tief bereichern.
Auch die Leichtigkeit des Augenblicks, einfach mal spontan zu tanzen und das bewusste Leben im Moment haben uns inspiriert. Dafür sind wir sehr dankbar!
Die Arbeit in Uganda war fordernd, aber jeder Moment war es wert. Wir haben nicht nur das Gefühl, einen echten Beitrag geleistet, sondern auch neue Freundschaften geschlossen und einzigartige Erinnerungen gesammelt zu haben. Alle Gedanken, die wir uns vor der Reise gemacht haben, alle Zweifel waren genauso richtig und hatten ihre Daseinsberechtigung. Jedoch können wir aus heutiger Perspektive sagen, dass die Zweifel und kleinen Ängste unbegründet waren. Für uns war es wichtig, sich auf etwas Neues einzulassen, neue Erfahrungen zu sammeln und (ganz ehrlich?) sich auch abseits vieler anderer Meinungen über dieses Land vom Gegenteil überzeugen zu lassen.
Rückblickend können wir sagen, dass diese Zeit uns auf eine Weise geprägt hat, die wir so nicht vorhersehen konnten. Die intensive Erfahrung in der Wildnis und die direkte Konfrontation mit der Tierwelt haben unser Verständnis für die Natur vertieft. Besondere Momente, wie die Begegnung mit einer Elefantenherde vor dem Kilimandscharo oder eine Wanderung mitten durch den Dschungel haben uns eindrucksvoll vor Augen geführt, wie beeindruckend und einzigartig die Natur sein kann und wie es sich anfühlt an seine persönlichen Grenzen zu gehen. Diese Erlebnisse haben uns nicht nur staunen lassen, sondern auch unsere Perspektive auf die Welt erweitert.
"Die Geschehnisse dieser besonderen Reise haben unsere Motivation gestärkt, uns weiter für gesundes Sehen einzusetzen, damit andere Menschen die Schönheit dieser Welt genauso intensiv erleben können."
Obwohl wir zurück in Deutschland sind, bleibt Uganda in unseren Gedanken und Herzen. Wir überlegen bereits, wann wir zurückkehren und wie wir von hier aus weiterhin unterstützen können, um unserer Mission treu zu bleiben: das Bewusstsein für gesundes Sehen zu fördern, sogar weltweit.
Es gibt viele Wege, sich zu engagieren. Der Entwicklungsdienst Deutscher Augenoptiker e.V. bietet verschiedene Möglichkeiten zur Unterstützung in Form von Spenden oder durch freiwillige Arbeit. Jeder Beitrag – sei es finanzieller Art, durch Fachwissen oder ehrenamtliches Engagement – kann dazu beitragen, die Lebensqualität der Menschen vor Ort zu verbessern und wichtige Projekte voranzutreiben.
Wir laden alle ein, sich über die verschiedenen Unterstützungsangebote zu informieren. Auch kleine Schritte können große Auswirkungen haben, und jede Unterstützung zählt.
Unsere Reise nach Uganda hat uns nicht nur gezeigt, wie erfüllend es sein kann, sich für andere einzusetzen, sondern auch, wie wichtig es ist, eine Vision zu verfolgen. Die Mission von „Kindersicht“ – das Bewusstsein für gesundes Sehen zu stärken – bleibt unser Antrieb. Uns ist noch einmal mehr bewusst geworden, dass es sich lohnt, sich durchzubeißen, an etwas zu glauben und sich von nichts und niemandem von seinem Weg abbringen zu lassen.
Wir hoffen, dass unsere Erfahrungen auch andere dazu inspirieren, sich für ähnliche Projekte zu engagieren und positive Veränderungen zu bewirken. Die Welt bietet zahlreiche Möglichkeiten,und manchmal sind es gerade die kleinsten Taten, die den größten Unterschied machen 🙂
Aus der gemeinsamen Feder von uns zwei Reisbuddies 😀
Mit Grüßen voller Fernweh,
Jessy und Maike
Jessica Gruhl & Maike Vadersen Kindersicht GbR
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